Jeder neue Tagesbrief setzt den gestrigen und vorgestrigen Brief fort.
Wenn Sie heute neu auf diese Seite kommen, fehlt Ihnen mitunter der
Zusammenhang, der stellt sich aber nach ein bis zwei weiteren Briefen
morgen und übermorgen ein.



Liebe Freundin, lieber Freund,

wir haben gemeinsam betrachtet, welch elementare Bedeutung die Ängste als psychisches Phänomen in unserer Selbsterkenntnis haben. Vergleichbar psychisch elementar sind Aggressionen und die damit verbundene Gewaltausübung. Mit diesen Erfahrungen hängt unsere Meinung von Macht und Ohnmacht zusammen. Unsere gesamte Kommunikation ist durchsetzt vom Leistungs- und Konkurrenzprinzip. Es ist einem marktwirtschaftlichen Gesellschaftssystem immanent; alle Bereiche unserer existentiellen Entfaltung werden davon durchdrungen. Ich muss die gesellschaftlichen Einflüsse so betonen, weil du dich auf den Weg der Selbstfindung gemacht hast. Wir können das gesellschaftliche Umfeld nicht einfach ignorieren. Selbstfindung heißt ja nicht, sich zu separieren, also so zu tun, als wäre man eine Insel in diesem Gesamtgefüge. Du lebst nun einmal als Individuum in einem Kommunikations- und Beziehungsgeflecht mit anderen. Ich weiß, du selbst strebst keine Macht an. Doch wie steht es mit den Menschen, mit denen du täglich direkt oder indirekt zu tun hast? Indem du für dich Machtausübung ablehnst, ist die Machtproblematik, die dich umgibt - denn das ist Realität -, nicht beseitigt. Die Aggression und das Überlegenheitsbedürfnis der anderen bedrängen dich nach wie vor. Nicht einmal im Bereich der Partnerschaft und der Liebe wirst du davon verschont.
Herzliche Grüße
- bis morgen